Reissner Band in Hundertbücheln

Mit bayerisch-böhmischer Musik in den Karpatenbogen Rumäniens

Mehr als 3.600 Kilometer Wegstrecke, 20 stets von der Sonne begleitete Auftritte mit fetziger Blasmusik vor mehr als 12.000 Zuhörern! Und mit Altlandrat Dr. Richard Keßler einen Schirmherrn, der sich zusammen mit seiner Ehefrau Irmgard an der Konzertreise interessiert und engagiert beteiligt hat! Das war so richtig nach dem Geschmack von Reinhardt Reißner, der damit seine achte Konzertreise zu den deutschen Minderheiten Rumäniens durchführte. Das Busfahrer-Ehepaar Kornreiter aus Unterstall trug ihres dazu bei, dass die Konzertunternehmung bei den Sathmar-Schwaben, den Zipser-Deutschen in den Nordkarpaten, wie auch in Siebenbürgen und im Banat ein großer Erfolg wurde.

Der Startschuss erfolgte, als Reißner vor zwei Jahren die Leitung des Musikvereins Heinrichheim übernommen hatte, und auch bei der „Verjüngung“ der Blaskapelle der Siebenbürger Sachsen in Neuburg behilflich war.  Damit begann er nämlich schon,  die notwendigen Kontakte für diese aufwändige Konzerttournee anzubahnen.

Kurz nach der Grenze in Großwardein/Oradea in Rumänien angekommen, ging es zu einer ausgiebigen Erfrischung ins Thermalbad Phönix. Und danach mit Marschmusik ins Zentrum der schönen alten Stadt, gelegen am östlichen Rand der ungarischen Tiefebene. Vor dem Rathaus Empfang durch die Vertreter der Stadt mit Austausch von Geschenken. Dann Abspielen der Hymnen beider Länder im großen Sitzungssaal des historischen Gebäudes. Citymanager Eduard Florian bedankte sich für das „Besondere kulturelle Ereignis, das dieser geschichtsträchtigen Stadt eine besondere Farbe verliehen hat“. Altlandrat Dr. Keßler warb in seinen Worten für ein vereintes Europa und bedankte sich bei den Musikanten für deren Beitrag. Er sagte u.a.: „Musik prägt und pflegt die Brücken zwischen den Ländern“. Auch erinnerte er an den Beginn des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren und sagte: „Wir dürfen den Kriegen und dem Nationalismus keine Chance mehr geben. Europa möge davor verschont bleiben“. Er wünschte der Stadt und dem Land Glück für die Vereinigung mit Europa. Danach traf man sich mit der örtlichen Folkloregruppe vor zahlreichen begeisterten Zuhörern im blumenreichen Stadtpark zu einem Konzert, wobei die Volkstanzgruppe der Siebenbürger Sachsen aus Neuburg die erste einer Reihe von vielbewunderten Tanzeinlagen darbot.

Dr. Dumitru Borca, Verwaltungsleiter der Stadt Sathmar bezeichnete tags darauf begeistert den Besuch der Neuburger Delegation als ein besonderes Ereignis für die ganze Region. Der Vorsitzende der Deutschen Minderheit in Nordsiebenbürgen Johann Forstenheizler sagte: „Musik hat eine universelle Sprache und bringt die Menschen und damit deren Länder einander näher!“

Weiter ging die Fahrt mit einem Kurzbesuch nach Sapinta und dem sog. „Fröhlichen Friedhof“, dem Besuch einer der ältesten Holzkirchen Rumäniens in Barsana zum Zipser-Treffen in Oberwischau, gelegen in den Nordkarpaten unweit der Grenze zur Ukraine. Hier beteiligten sich die Neuburger Musikanten zwei Tage mit Marschmusik und einem Konzert in der örtlichen katholischen Kirche. Der deutsche Botschafter in Bukarest Werner Hans Lauk begleitete die Neuburger im offenen Waggon der weltweit letzten mit Dampf betriebenen Schmalspur-Waldeisenbahn in wunderschöner Berglandschaft im sog. Wassertal. Zahlreiche Mitreisende konnten hier mit zünftiger Blasmusik unterhalten werden.

Am Tag danach ging es nach Mediasch in Mittelsiebenbürgen. Hier Standkonzert auf dem zentralen Stadtplatz, dann Besuch eines Seniorenheims und danach Musik für die Bürger der Ortsteile, die zum Einzugsbereich von Birthälm gehören. Auftritt von mehreren siebenbürgischen Tanzgruppen und eine abschließende „Nachtwanderung“ mit Pfarrer Ulf Ziegler durch die von drei Ringmauern umgebene mächtige Kirchenburg des Marktes, der auch 300 Jahre Bischofssitz von Siebenbürgen war.

Nach dem Besuch von Schäßburg, dieser mittelalterlichen und bis heute unversehrt gebliebenen Stadt- gelegen an der Großen Kokel im siebenbürgischen Weinland – ging es nach Hundertbücheln, der Heimatgemeinde von Reißners Ehefrau Dietlinde. Am Ortseingang wurden die Angekommenen bereits von einem jungen Reiter in rumänischer Tracht mit zwei Pferden empfangen. Das zweite Pferd wurde dem 12-jährigen Samuel Reißner mit seiner großen Tuba zur Verfügung gestellt. Zahlreiche „Sommer-Sachsen“, die alljährlich ihren Sommerurlaub hier in der alten Heimat verbringen, empfingen die einmarschierende Neuburger Blaskapelle mit Begeisterung. Nach feierlicher Musik im Gotteshaus und verbindenden Worten des Schirmherrn aus Bayern wurden die Gäste zu einer würzigen Brotzeit in den Gemeinschaftssaal eingeladen.

In dem sich anschließenden Gemeindefest der beiden christlichen Kirchen der Stadt Fogarasch betonte Pfarrer Johannes Klein, dass die Feier erstmals von einer bayerischen Blasmusik umrahmt wird. Tags darauf beim Heimattreffen der ehemaligen Bewohner von Zied wurden die Tänzer und Musiker aus Neuburg bereits beim Eintreffen mit Glockenklang und viel Applaus begrüßt. Der örtliche Pfarrer hob in seiner Ansprache hervor, dass man es sich bei der Auswanderung vor mehr als 20 Jahren nicht vorstellen konnte, dass sich die Kirche noch einmal füllen würde und fügte den Begriffen „Glaube, Liebe und Hoffnung“ den Wunsch an, dass sich Derartiges in der Zukunft noch oft wiederholen möge. Das anschließende Blasmusikkonzert wurde von einer temperamentvollen rumänischen Kindertanzgruppe der Nachbargemeinde bereichert, die von ihrem Bürgermeister begleitet wurde.

Der Besuch des auf alten Mauern neu erbauten Klosters Sambata de Sus gipfelte nach der Überreichung von Bildern aus früheren Besuchen Reißners in der Einladung der gesamten Neuburger Delegation zu einer Kostprobe des selbst gefertigten Pflaumenschnapses Tuika/Palinka und des süffigen Klosterweines. Als der anwesende Alt-Abt Ilarion auch noch um ein fröhliches „Prosit der Gemütlichkeit“ bat und ermöglichte, dass das Blasorchester sogar im Klosterinnenhof auftreten durfte, da war der perfekte Schulterschluss der unterschiedlichen Religionen und Kulturen unter allen Beteiligten hergestellt. Der Alt-Abt dankte den Musikanten mit den Worten: „Ich danke dem lieben Gott, dass ich dieses noch erleben durfte!“. Die Einmaligkeit dieser Begegnung wurde durch die Anwesenheit der Mehrheit der noch 40 ansässigen Mönche des Klosters unterstrichen. Die Einladung zum gemeinsamen Abendessen mussten die Musikanten jedoch ausschlagen, weil sie bereits kurz danach von ihren Gastgebern am Fuße der Südkarpaten zu einem saftigen Hirtengulasch eingeladen waren.

Die historische Anlage von Tartlau, eine der stärksten Kirchenburgen siebenbürgischen Burzenland aus dem 15. Jahrhundert wurde tags danach besucht. Hier konnte man sehen, wie sich die Bewohner einer derartigen Wehranlage in der Vergangenheit gegen die Angriffe der Mongolen, Tartaren, Osmanen, Kosaken und Moldauer schützen und wehren mussten. Tartlau wurde mehr als 50 Mal belagert und nur einmal im Jahr 1611 eingenommen. Ein Besuch von Kronstadt und der sog. „Schwarzen Kirche“, sowie Musik im einzigartig im geschlossenen Viereck erbauten wehrhaften Friedhof in Rosenau schloss sich an.

Der Besuch mit Musik in Gürteln, einem kaum mehr bewohnten sächsischen Dorf führte dazu, dass sich erstmals nach der Auswanderung Anfang der 90-er Jahre mehr als Hundert ehemalige Ortsbewohner eingefunden hatten. Hier konnte Pfarrer Michael Reger dem Ehepaar Ute und Wieland Schuster zur Silbernen Hochzeit gratulieren. Sie wurden als vorletztes örtliches Brautpaar in dieser Kirche vor 25 Jahren getraut. Beide waren in sächsischer Tracht gekleidet und beteiligten sich hernach wieder als Tanzpaar beim Vortrag der siebenbürgischen Tanzgruppe aus Neuburg vor der Kirchenburg. Reinhardt Reißner verwies in seiner Ansprache auf einen alten Baum aus dessen morschen Ästen sich ein junger Zweig erhob und riet den Anwesenden, sich an ihre Wurzeln zu erinnern, um die verlassenen Höfe wieder aufzubauen. Bürgermeister Joan Berghea bat in seiner Ansprache ebenfalls darum, die alte Heimat nicht zu vergessen und verwies darauf, dass die Gemeinde sich alle Mühe gegeben habe, dieses Treffen durch die Reparatur der Straßen und Brücken zu ermöglichen. Auch hat man mehrsprachige Ortschilder angebracht. Die Begegnung in diesem Ort mündete in einem tollen Fest, organisiert von einem Unternehmerpaar aus Deutschland, das in Erinnerung an ihre siebenbürgische Herkunft aus einem verlassenen Bauerngehöft mit alten Ziegel- und Bruchsteinen ein urgemütliches Schmuckstück von Gasthaus mit Gastzimmern errichtet hat. So etwas konnte man an dieser Stelle nicht erwarten.

Ein Dorffest – organisiert von der hier wohnhaften Frau Dr. Barbara Schöfnagel, Sozialattachée der Republik Österreich – an dem alle Ortsbewohner, egal ob Deutsche, Rumänen oder Zigeuner mit einbezogen wurden, schloss sich tags darauf an. Das Fest begann mit einem Turmblasen der Neuburger Bläser vom Kirchenturm, dem wohl letzten „Speckturm“ Siebenbürgens, in dem noch heute die Speckseiten der geschlachteten Schweine kühl aufbewahrt werden. Ein Umzug durch das Dorf mit Bewertung der schönsten beteiligten Gruppen und einem fröhlichen Fest, das bis in die Abendstunden andauerte, schloss sich an. Die hier ansässige letzte siebenbürgische Dorfkapelle mit einem Altersdurchschnitt von 78 Jahren freute sich über die erneute Begegnung mit Reinhardt Reißner und seinen Musikanten und so dauerte es nicht lange, bis man gemeinsam zu den Instrumenten griff und bis in die Abendstunden fröhliche Stimmung verbreitete.

Nach dem Besuch des europaweit bekannten Freilichtmuseums „Muzeul Satului“ griffen die Neuburger zu ihren Instrumenten und marschierten, gefolgt von der Neuburger Tanzgruppe durch die Fußgängerzone von Siebenbürgens Hauptstadt Hermannstadt. Dieses wie auch ein gut besuchtes Standkonzert am sog. „Ring“ wurde vom örtlichen Stadtrat Helmut Lerner – einem Bekannter Reißners – ermöglicht.

Ein abendlicher Abstecher nach Großschenk zum Treffen der Heimatortgemeinde ergab ein Wiedersehen mit Bürgermeister Sorin Suciu. Dessen Onkel Nicolae Suciu, einer der bekanntesten rumänischen Hinterglasmaler führte auf Einladung von Reinhardt Reißner Anfang der 90-er Jahre in der Neuburger Volkshochschule einen Hinterglasmalkurs durch.

Mehr als Tausend Zuhörer aus allen Bevölkerungskreisen, darunter bunt gekleidete Zigeunerinnen verfolgten in bester Stimmung den temperamentvollen Auftritt des Musikvereins aus Neuburg.

Der letzte Tag begann in Neppendorf, einem Stadtteil von Hermannstadt. Dekan Dietrich Galter bedankte sich für die musikalische Gestaltung des gut besuchten Gotteshauses.

Arad die große und traditionsreiche Stadt kurz vor der ungarischen Grenze ermöglichte den Musikanten aus Neuburg einen Auftritt beim Stadtfest vor mehr als 5.000 Zuhörern. Anlass war die vor 180 Jahren erfolgte  Ernennung zur Königlichen Freistadt. Bürgermeister Bognar Levente bedankte sich bei den Neuburgern für den Besuch und wünschte sowohl einen guten Nachhauseweg, wie auch ein baldiges Wiedersehen.

Reinhardt Reißner